Studie Transform to Succeed

Digitaler Reifegrad der Immobilienwirtschaft

„Auf Management-Level gibt es sehr viel ,Wishful Thinking‘ – in den Fachabteilungen darunter kommt dann die harte Realität.“ - Christian Simanek Founding Partner Dr. Simanek & Partners und Business Angel von Digiqal

INTERVIEW

TEILNEHMER:

Prof. Dr. Verena Rock (TH Aschaffenburg)

Dr. Christian Simanek

(Founding Partner Dr. Simanek & Partners und Business Angel Digiqal)

Maximilian Heck (Drees & Sommer)

Inwieweit sind die gezeigten Ergebnisse der Studie ein Spiegelbild unserer Branche, insbesondere die Beobachtung, dass bei managementorientierten Themen (Strategie, Transformation) ein hoher Reifegrad und bei den umsetzungsorientierten Themen (Implementierung, Daten, Technologien, Prozesse) noch ein geringerer Reifegrad angegeben wird? Gab es Teilergebnisse, die Sie überrascht haben?

Christian: Mich haben die Ergebnisse ein bisschen überrascht, aber ich verstehe auch, wie diese zustande kommen. Ich glaube, dass viele dieser High-Level-Themen auf Management-Ebene mit einem „Wishful Thinking“ bewertet werden. Auf der Führungsebene glaubt man oft, dass man technologisch schon weiter sei, als man wirklich ist. Der Wunsch, digital schon besser aufgestellt zu sein als die meisten Peers, führt dazu, dass viele Führungskräfte in der Immobilienwirtschaft gerade bei den Themen „Strategie“ und „Transformation“ aus meiner Sicht überoptimistisch sind. Wenn man dagegen auf die operative Ebene schaut, welche Daten wirklich zur Verfügung stehen, in welcher Qualität diese vorliegen und wie diese Daten gemanagt werden, dann gibt es sehr schnell den harten Reality-Check. Ich bin davon überzeugt, dass eine gute Digitalisierungsstrategie sowohl top-down als auch bottom-up gemacht werden muss. Top-down folgt die Digitalisierung der Geschäftsstrategie, gerade auch mit einem Blick auf die derzeitige Situation unserer Branche und der aktuellen Märkte. Digitalisierung ist ja kein Selbstzweck, sondern sollte mit Purpose, Vision, Mission und der aktuellen Geschäftsstrategie im Einklang stehen. Allerdings bin ich der Meinung, dass angesichts der aktuellen konjunkturellen Lage und der großen anstehenden Transformation unserer Branche viele Unternehmen noch gar keine klare Strategie für sich gefunden haben und daher noch gar nicht genau wissen, wohin die Reise geht. Da finde ich es schon ein bisschen vermessen, zu formulieren, dass man eine klare Digitalisierungsstrategie habe oder dass das eigene Unternehmen digital schon sehr gut aufgestellt sei, wenn die eigene Geschäftsstrategie selbst noch voller Unklarheit steckt. Das ist für mich unlogisch. Darüber hinaus glaube ich, dass viele Unternehmen zudem auch bottom-up, also bei der Datenerhebung, ihrer Qualitätssicherung und Analyse, noch viele Hausaufgaben machen müssen, um überhaupt die Basis für eine Digitalisierungsstrategie zu schaffen.

Welche Schritte sind notwendig, damit es von einer reinen Digitalstrategie auch zur operativen Umsetzung kommt?

Christian: Für uns ist diese Frage besonders relevant, weil wir gesehen haben, dass der Reifegrad bei den Umsetzungsthemen noch gering ist. Anscheinend schaffen die meisten Unternehmen diesen Schritt von der Strategie zur Umsetzung nicht. Ich glaube, dass es beispielsweise bei der Einführung von Software-Lösungen immer noch vielfach an guten Beratern fehlt. Insbesondere sind hierbei Vermittlerrollen zwischen den Usern in Immobilienunternehmen und den IT-lern – sowohl denen auf Auftragnehmer- als auch Auftraggeberseite, also zum Beispiel Softwareanbietern – gefragt. Aus meiner Erfahrung braucht es Fachleute, die sowohl Erfahrungen in der immobilienwirtschaftlichen Praxis als auch IT-Skills mitbringen, um diese extrem wichtige Schnittstelle zu bedienen. Diese braucht es meines Erachtens auch zusätzlich zu den Mitarbeitern der IT-Abteilungen in den Immobilienunternehmen. Aber diese Spezialisten sind natürlich rar. Darüber hinaus binden Digitalisierungsprojekte oftmals viele zusätzliche Ressourcen bei den internen Teams der Immobilienunternehmen. Während das Unternehmen Digitalisierungsschübe macht, muss in der Regel die Manpower noch einmal erhöht werden, um die Zusatzbelastung für die bestehenden Teams auszugleichen. Vielfach wird gegenüber den Beschäftigten intern kommuniziert: „Wir führen ein neues, tolles digitales Tool ein. Und durch das neue Tool wird Ihre Arbeit nachher viel einfacher.“ Aber bis die Daten implementiert, das Tool getestet, einführt und geschult ist sowie in der Praxis auch stabil läuft, hat das Team erst einmal die doppelte Last. Das zu unterschätzen, wäre fatal. Und das ist natürlich in den aktuellen schwierigen Zeiten, wo eher Cost-Cutting gefragt ist, eine Zwickmühle. Man müsste eigentlich zunächst die personellen Ressourcen erhöhen, um zu einem späteren Zeitpunkt nachhaltig die Effizienz zu steigern. Umso wichtiger sind dann die externen Spezialisten, um Reibung und Mehraufwand so gering wie möglich zu halten.

Man bräuchte also eigentlich zur Einführung von digitalen Produkten noch mehr Leute. Wie kann ich als Unternehmen insgesamt bei diesem ganzen digitalen Transformationsthema meine Mitarbeitenden besser einbeziehen? Was würden Sie sich hier wünschen?

Christian: Ich glaube, man braucht immer ein Buy-in der Mitarbeitenden, und man muss ihnen auch ganz konkret den sinnvollen Nutzen von Digitalisierung aufzeigen. Eine Digitalstrategie muss man sehr gut erklären, und sie sollte auch zwingend zusammen der Geschäftsstrategie oder Veränderungen bzw. Updates zu dieser kommuniziert werden. Ansonsten entsteht Unverständnis, Angst und dadurch letztendlich Ablehnung. Grundsätzlich gibt es da sicherlich auch Unterschiede in verschiedenen Funktionen und Generationen innerhalb der Belegschaft. Ich wünschte mir für die Unternehmen zum Beispiel, dass gerade die jungen Leute mehr Digitalisierung in ihrer täglichen Arbeit freiheitlich ausprobieren, so wie sie es von ihrer Ausbildung und vom Studium gewohnt waren, und dann auch offen im Unternehmen darüber sprechen können. Das wiederum ist ein Kulturthema – nicht in allen Unternehmen ist so viel Offenheit erwünscht bzw. wird es auch eingefordert oder gar belohnt.

Bei der Frage nach den aktuellen Hindernissen für die Digitalisierung haben Sie „Kosten und Konjunktur“ angegeben. Würden Sie das noch etwas ausführen?

Christian: Das ist aus meiner Sicht recht einfach: Digitalisierung braucht Zeit und auch Investitionen. Wenn es vielen Unternehmen in unserer Branche derzeit nicht so gut geht wie in den vergangenen Jahren und sie eher auf Cost Cutting fokussiert sind, dann bleiben möglicherweise einige Digitalisierungsprojekte auf der Strecke oder werden zumindest zurückgestellt. Die Digitalisierung unserer Branche wird natürlich nicht scheitern, sie könnte aktuell aber wieder verlangsamt werden. Unternehmen können auch zum Beispiel die Phasen ihrer Projekte strecken und die Kosten über die nächsten Jahre verteilen. Und natürlich muss es dabei um geschäftsstrategische Prioritäten gehen. Dabei gewinnen diejenigen Use Cases, bei denen man konkret zeigen kann, wie viel effizienter Prozesse durch ein Digitalisierungsprojekt werden bzw. wie viel Zeit und Kosten man einsparen oder sich auch neue Erträge durch die Digitalisierung erschließen kann.

Wie ist Ihr Ausblick auf das Jahr 2024 beim Thema Digitalisierung in der Immobilienbranche? Werden wir die große KI-Revolution erleben oder doch eher nicht?

Christian: Natürlich ist KI aktuell ein Trend-Thema. Jeder schreibt gerne bei LinkedIn „Wir machen jetzt was mit KI“. Und tatsächlich gibt auch viele Use Cases mit hohem Potenzial. So ist vermutlich der Wunschtraum eines jeden Asset-Managers eine KI-Software, die alle Unternehmens- und Immobiliendaten verbindet und mithilfe einer Sprachsteuerung nutzbar macht. Dann könnte man während der Besichtigung einer Immobilie einfach sein Smartphone befragen: „Liebe KI, sag mir mal, wer sind hier die drei größten Mieter? Wie groß sind die Flächen, wie hoch sind die aktuellen Mieten? Wurden in den vergangenen sechs Monaten die Mieten und Nebenkosten gezahlt? Wie risikoreich sind aktuell die Branchen der Bestandsmieter? Was sind die drei wichtigsten Konkurrenzobjekte? Was wurde im Mikromarkt in den zurückliegenden 24 Monaten vermietet? Welche News gibt es gerade aus dem Umfeld der Immobilie? …“. Da sind wir dann aber auch schnell bei den Themen Datenfülle und -qualität im Unternehmen, aber auch bei Big Data. Wenn ein Unternehmen über einen sehr guten Datenbestand und über eine hohe Datenqualität verfügt, kann die KI helfen, diese Informationen zu analysieren und daraus wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. Bei einem schlechten Datenbestand kommt dabei natürlich nur Unsinn heraus. Daher bin ich davon überzeugt, dass aktuell einer der wichtigsten Use Cases für KI ist, in einem ersten Schritt „aufzuräumen und aufzubauen“, also bestehende Datenbestände zusammenzustellen und deren Qualität zu sichern. In einem zweiten Schritt werden diese dann auch vermehrt mit Daten aus den Immobilien selbst und mit Big Data aus den Märkten angereichert und nutzbar gemacht.

Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

Christian: Wir alle müssen viel mutiger werden. Ich hatte ja schon erwähnt, dass man die „jungen Wilden“ in den Unternehmen loslassen und Dinge ausprobieren lassen sollte. Und eines ist auch klar: Wir müssen unbedingt weg vom „Wishful Thinking“. Nur weil ich im Unternehmen Leute habe, die privat auf Netflix Serien streamen können, heißt das bestimmt nicht, dass ich über digitale Mitarbeiterkompetenzen und -engagement verfüge.

Die Analyse zeigt offen und ehrlich, dass es noch unglaublich viel zu tun gibt. Ich freue mich, durch mein Engagement bei Digiqal auch etwas beitragen zu können.

Entdecken Sie weitere Artikel

Mehr
No items found.